Die Rekonstruktion 2020
Vorlage zu dieser Replik ist Grab 87 von Zweeloo, die „Bestattung der Prinzessin“, datiert ca. 380 bis 480 n.Ch.
Das Perlenensemble von 31 Glasperlen, auch » Spinnwirtel genannt, wenn sie so groß sind, gehört zu einem auf Höhe der Taille getragenen Gürtel, vervollständigt um eine Bernsteinperle und zehn Bronzeringen.
130 kleinen Glasperlen und eine zweite Kette mit 100 Bernsteinperlen, bis zum Bauchnabel reichend, waren an zwei silbernen Fibeln an den Schultern befestigt. Diese Fibelkette habe ich dieses mal nicht gefertigt.
Im Zuge einer neuen Replik (bisher in 20 Jahren nur zweimal gefertigt, in 2002/3 bzw. 2010) habe ich auch neue Literatur mit interessanten Fakten aufgegriffen:
„Die Neubearbeitung des Grabes unter besonderer Berücksichtigung der Textilien (Vons-Comis 1988) ergab, daß die Perlen des Gürtels anscheinend auf ein Lederband aufgezogen gewesen sind.“ (Siegmann, M., 2006; S. 297)
Ich möchte aber dem geneigten Leser nicht die Anmerkungen von M. Siegmann zu zwei bestehenden Trachtrekonstruktionen vorenthalten, wobei ich mich wiederum auf die Glasperlen des Gürtels beschränke:
„Aha, jetzt wissen wir Bescheid. Wirklich? Hier haben wir den – unglückseligen – Fall, daß ein sehr gut erhaltener und dokumentierter Grabbefund gleich zweimal gründlich zum Aspekt Kleidung und Schmuck analysiert wurde – und beide Rekonstruktionen sind falsch! … Die „Vorderseite“ des Gürtels beträgt ca. 43 cm, er lag also um eine mindestens 86 cm weite Taille. Entweder die Tote war recht füllig – oder der Gürtel lag auf mehreren bauschigen Schichten von Stoff, zum Beispiel dem Schößen eines Peplos mit Überschlag. In diesem Fall hätte die Weite des Schößchens den Gürtel etwas in Position gehalten, er hätte also relativ locker getragen werden können. Immerhin stellen 600 g Perlen eine beträchtliche Last für ein doch recht dünn zu rekonstruierendes Lederband (Lochgröße!) dar – ein zusätzliches Festzurren um den Bauch bedeutet in so einem Fall, daß man ein erhebliches Risiko eingeht, dieses Band zum Reißen zu bringen… Der Perlengürtel als reiner Schaugürtel, ein Funktionsgürtel unter dem Überschlag verborgen mit daran hängendem sichtbaren Beutel und Schlüsseln.“
Ich habe den Aussagen von M. Siegmann nichts hinzuzufügen. Handwerklich habe ich vor diesem Werk nur Respekt, da auch mit einem modernen (einfachen) Brenner für eine der großen Perlen bis zu 50 Minuten ohne Unterbrechung zu arbeiten ist.
Anm.: Ich habe nicht nur die Abmessungen der Originale (bis 3,7cm Durchmesser), sondern auch den Lochdurchmesser von 3 - 7mm eingehalten.
Glasperlen des Gürtels der Prinzessin von Zweeloo
Bildmaterial 2020
Literatur / Abb.
W.A. von Es und J. Ypsey: Das Grab der Prinzessin von Zweeloo und seine Bedeutung im Rahmen des Gräberfeldes. Studien zur Sachsenforschung, Hildesheim 1977
Siegmann, Maren: Mitten im Leben vom Tod umfangen. Zu den Befunden einiger völkerwanderungszeitlicher Frauengräber aus Liebenau (Kr. Nienburg/Weser)1in Heinrich Beck, Dieter Geuenich, eiko Steuer (Hrsg.): Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit: Festschrift für Rosemarie Müller (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Band 53, 2006
Recherche und Repliken , 2010
Das Gräberfeld und die Glasperlen von Zweeloo
Das Gräberfeld der „Prinzessin“ von Zweeloo liegt im Südosten der Provinz von Drehnte (Niederlande) und wurde 1952 entdeckt.
Es umfasst während seiner Belegungszeit vom Ende der römischen Kaiserzeit oder zu Beginn der Völkerwanderungszeit (im später vierten oder im frühen fünften Jahrhundert bis in das 8./9. Jhr.) 110 Körperbestattungen mit keinen oder sehr dürftigen Beigaben. Die Gräber traten über das Areal verteilt in Gruppen verteilt auf.
Zu einer Gruppe aus 6 Gräbern, datiert auf die früheste Nutzungsphase des Bestattungsplatzes (mit einer Belegungszeit von nur zwei oder sogar drei Generationen über eine Zeitraum von ca. 380 bis 480 n.Chr), gehört das Grab 87. Trotz anscheinend weniger, aber reicher, Beigaben wurde das Grab im Jahr 1952 in situ in einer Holzkiste eingefasst und als ganzes geborgen.
Ungeachtet dieses Grabes (Nr. 87) war diese Gräbergruppe die reichste Gruppe des Gräberfeldes von Zweeloo.
Die Prinzessin von Zweeloo, Rekonstruktion
Die Zusammenstellung der Halskette und des Gürtels erfolgte nach den Angaben von W.A. von Es und J. Ypsey. Die Abfolge der Perlen des Gürtels wurde 1952 in einem Aquarell fest gehalten. Für die Halskette ist die Reihenfolge aufgrund Aushebung und Dokumentation im Museum bis auf wenige Perlen (u.a. kleine gelbe) gesichert.
Keine andere Bestattung der Ur- und Frühgeschichte kann einen Gürtel ähnlich dem der Prinzessin von Zweeloo aufweisen.
Meine Rekonstruktion umfasst alle 30 Glasperlen sowie die Amulettperle (Die Interpretation der Bernsteinperle Nr. 17 wurde der Vollständigkeit halber ergänzt, wird wohl von der Trägerin später durch echten Bernstein ersetzt).
Der Gürtel ist 50 cm lang und wiegt 578 Gramm.
Anm.: Drei der vier gerippten Perlen hatten eine zusätzliche Augenverzierung. Aufgrund des vorliegenden, farblich mangelhaften Fotos des Aquarells haben wir dies bei Nr. 16 nicht erkannt, wodurch bei dieser die Schichtaugen auf den Rippen fehlen.
Die zum Grab dazugehörige Kette mit 101 Bernsteinperlen haben wir nicht nachgebildet.
(Anm.: damals bestand das team "derglasperlenmacher" aus zwei Personen, die nun aber seit 2013 getrennte Wege gehen)
Die Gräber
Grab 83 war ein Kindergrab ohne Beigaben
Grab 84 enthielt ebenfalls keine Beigaben und war wahrscheinlich ebenfalls ein Kindergrab.
Grab 85 dieser Gruppe war ein Mädchengrab, einzige Beigabe war eine Perlenkette mit einer Bernstein- und 11 Glasperlen.
Grab 86 Ein Frauengrab in dem sich 5 opake Glasperlen auf der Brust sowie ein Paar Bronzefibeln fanden.
Grab 88, das Grab einer „unerwachsenen Person“ enthielten einen Spitzbecher aus olivgrünem Glas. Eine Seltenheit in der Provinz Drenthe und sicher eine Kostbarkeit.
Erst 25 Jahre später wurde jedoch das Grab 87 vollständig untersucht und der vollständige Reichtum der Beigaben entdeckt. Neben silbernen Fibeln, Schlüsseln und Toillettengarnitur sind es vor allem über 263 Glas- und Bernsteinperlen die den Reichtum ausmachen.
Und es zeigt sich, warum die Verstorbene aus Grab 87 als Prinzessin bezeichnet wurde:
Literatur
W.A. von Es und J. Ypsey,. - Das Grab der Prinzessin von Zweeloo und seine Bedeutung im Rahmen des Gräberfeldes. Studien zur Sachsenforschung, Hildesheim 1977