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Allgemein:
Der Bestattungsplatz in der Kaup bei Mochove, Wiskiauten, Kaliningrader Oblast (russische Provinz an der Ostsee zwischen Polen und Litauen), datiert auf den Zeitrahmen 850 – 1050 n. Chr. und bestehend aus einem wikingerzeitlichem Hügelgräberfeld mit (einst) „mindestens 500 Hügelgräber“ mit Brand- und Körperbestattungen sowie einem Brandflachgräberfeld. Hier wird die kulturelle Mischung deutlich: aus Skandinavien die Sitte der Grabhügel sowie die lokale Sitte der Flachgräberfelder. Daher kommt es zu einer sehr starken Dichte an skandinavischem Fundgut.
Dies ist der Punkt die Unterschiede zu Skandinavien hervorzuheben. In Haithabu, Birka und Wolin gibt es eine Siedlung und ein Bestattungsfeld. In Ribe gibt es nur den „Handelsplatz“. In der Umgebung von Wisikauten konnte in über 150 Jahren Forschungstätigkeit keine Siedlungstätigkeit festgestellt werden. (Die aktuellste Arbeit von T. Ibsen liegt mir vor, muss ich aber noch lesen. Wobei N. Dworschak eine Siedlungsfindung dann wohl sicher angemerkt hätte).
Sie verweist daher auf O. v. Schlicht (1920), S. 256, "...mehrere, kleine Ansiedlungen, die ein gemeinsames Gräberfeld für ihre Toten verwendeten“.
Eine einheitliche Befundaufnahme liegt nicht vor, da die „Ausgrabungen“ mit unterschiedlichem Standard und unter diversen staatlichen Aufsichten in den Jahren von 1870 bis 2014 durchgeführt wurden. N. Dworschak weist dazu auf „raubgräberische Aktivität“ „während der letzten Jahrzehnte“.
Auf den Seiten 25-43 widmet sich N. Dworschak der turbulenten Forschungsgeschichte und dem Problem, wer wann welche Funde eingelagert hat, welche Funde verscwhunden sind und, hiernur genannt, nennt sie „26 Fragmente skandinavischer Schalenspangen…der Typen JP37 und JP 41, 41, 52/55..(und) lassen (sich) keinen genauen Grabkontexten mehr zu weisen.
Anmerkung: das ist kein Freibrief für „ja, aber es könnte doch…“-Argumente in einer entsprechende Darstellung mit offensichtlichen Fehlern.
Zu Bestattungssitte angemerkt sei dann noch die mehfachnutzung von Grabhügeln. In der Kaup wurde auch ein Grabhügel mit Bestattungen aus der Ältesten Bronzezeit angetroffen „und in seiner nähe fanden sich einige Gräber aus der älteren Eisenzeit. … wogegen größere Mitte und teilweise das Westende fast nur mit Wikingergräbern belegt ist (Heydeck 1993, S. 71)
Die Grabhügel waren bis zu 60cm hoch, 6m im Durchmesser, teilweise mit einem äußeren Steinkreis begrenzt. Die skandinavischen Hügelgräber beinhalten Brandbestattungen, i.d.R. ohne Urne.
Anm.: durch die Ausgrabungsgeschichte bedingt gibt es keine stringente Unterscheidung zwischen Brandflächen- Scheiterhaufen, Urnen- und Brandschüttungsgräbern.
Da ich nicht für jeden dieBestattungssitten von Priorität sind, hier noch Heydeck (1877), der äußerte: (…) so müssen wir wegen der geringen Ausdehnung dieser Brandstätten zu dem Schluss kommen, das die Körper entweder in stehender oder sitzender Stellung vebrannt worden sind, wo der Holzstoß keiner so großen Grundfläche bedurfte).. N. Dworschak führt aus „auch nach heutigem Forschungsstand ist davon auszugehen, dass es keinen zentralen Verbrennungsplatz gab und eine Kremation der Verstorbenen in unmittelbarem Umfeld der individuellen Grabanlage liegt nahe.“ (S. 56). (Einfach nur ein interessanter Fakt)
Die Flachgräber sind den Körperbestattungen vorbehalten.
Gesamt wurden 14 Katorphen (leere Gräber) angetroffen. Ob es sich wirklich um Katorphen handelt, kann nicht gesagt werden, bei den Ausgrabungen von 1865 bis 1939 die Bestattungen (ohne Funde) wieder in den Ur-Zustand versetzt wurden und bei der mangelnden Genauigkeit der Dokumentation bzw. aufgrund nicht zeitnaher Publikation später nicht immer ermittelt werden konnte, ob die Grabanlage bereits untersucht wurde und so nun bei der Aushebung nur die Beigaben bzw. Angaben zu diesen unter anderen Angaben dokumentiert wurden.
Im Kapitel 4.4, S. 65 – 75 widmet sich N. Dworschak den Sonderbestattungen, wie Bootsgräbern, Doppelbestattungen, Bestattungen in Bauchlage u.A. Dem interessierten Leser empfehle ich daher diese Seiten.
A. Dworschak greift auf die Befunde des Katalogs von F. D. Gurevic zurück. Dies sind 179 beigabenführunde und 39 beigabenlose Gräber. Zwar umfasst das Flachgräberfeld nur 9,6% (21) Bestattungen, gesamt sind somit 218 Gräber berücksichtigt. Bei Berücksichtigung der turbulenten Geschichte dieses Bestattungsplatz, alleine den Verlust der Prussia-Sammlung, ist dies zwar nicht viel, aber mehr wie zu erwarten.
Am häufigsten als Beigaben sind Perlen vertreten (149 Exemplare), „nahezu niemals als einzelne“. „Die Dokumentation der vor dem Zweiten Weltrieg untersuchten Gräbern, kennzeichnet zudem eine geringe Wertschätzung für nichtmetallische Artefakte“. (N. Dworschak, S. 97) Dieser prägnanten Aussage ist zu entnehmen, dass die Dokumentation, nicht verwertbar ist. Und dem ist leider so.
Dies betrifft auch u.a. Keramik und Kämme.
Resümee Perlen
Da die Dokumentation der Perlen eigentlich in jedem Bereich der Dokumentation ein „mangelhaft“ verdient, verzichte ich auf eine weitere Betrachtung. Nur so viel, in 4 Fällen waren die Perlen mit Anhängern kombiniert, in Kat. Nr. 43. Bei diesem Fund kann man sogar fest halten, das es sich um sechs Perlen aus Bergkristall, zwei aus Glas und einer aus Karneol handelt.
Abbildung: Schmuckanhänger -
Abbildung: Lunula Anhänger -
Von den Metallbeigaben sind am häufigsten anzutreffen: Steigbügel (61), Lanzenspitzen (58), Zaumzeug (52), Messer (45) Schalenfibeln (41) und je mit 25 Exemplaren Ringfibeln und Schwerter.
Im Kapitel 5.1 zeigt N. Dworschak zweifelsohne den hohen Anteil der Angriffs- und Verteidigungswaffen auf, wonach 48,39% der Bestattungen Beigaben mit kriegerischen Aspekten aufweisen. Messer einberechnet. Ohne dies wären es „lediglich“ 34,68%. (S. 99)
Die Ausführungen zu der Bewaffnung inkl. Ortbänder (mir Fremdland) nehmen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Ausführungen ein (S. 101-118).
Pferdezubehör, hierzu zählen Steigbügel, Sporen, Trensen und Schellen (!). (S. 119 – 132). (Anm.: Eine Ausarbeitung zum Thema der Schellen der rus im 10. bis 13. Jh. im Raum der Oberen Volga folgt, denn dort gibt es diese auch in Frauenbestattungen als Halsketten, Anhänger, Armbänder, Gürtel oder Knöpfe. Stand 22.08.2020) Hier zu möchte ich nur anführen, das Zaumzeug in 52 Bestattungen, Sporen in 21 und Steigbügel in 61 Bestattungen angetroffen wurden. Nicht immer war Reiterausstattung vollständig, es wurden nur einzelne Teile des gesamten Geschirrzuböhrs angetroffen.
Ein Vergleich. in Haithabu wurde dies im Bootskammergrab A und B angetroffen, jedoch in keiner weiteren Bestattung. Entweder war die Pferdebestattung in Haithabu für die Belegungszeit nicht mehr typisch oder, meine Ansichten: das Pferd hatte in Haithabu eine untergeordnete Rolle oder in Haithabu wurden Pferde und Reiterzubehör hoch geschätzt und daher nicht als Beigabe verwendet. (MEINE INTERPRETATION, mit dieser Einstellung habe ich einen Konservationsstarter)
Aber ist ein paar Steigbügel so viel wertvoller wie ein Schwert? Pferde können sich selbst vermehren. Da Haithabu eine Siedlung war, vermute (!) ich, dass das Pferd einen geringen Statusaspekt hatte, wie in Wisikauten, wo es eben keine Siedlung gab. (???)
N. Dworschak nennt hier als ein typisches primäres Trachtzubehör die Fibeln, so in Wisikauten anzutreffen:
Schalenfibeln (Ovalspangen/OVSn), Dosenfibeln, Kleeblattfibeln, gleicharmige Fibeln, Scheibenfibeln, Hufeisenfibeln, Gerätefibeln und Armbrustfibeln. Eine Sonderform ist die so genannte „Drachenfibel“.
OVSn werden in 23 Bestattungen angetroffen, in fünf von diesen als Einzelexemplar. Hinzu kommen drei Streufunde. Aufgrund der Beschädigung durch die Brandbestattung bzw. mangelnde Dokumentation der Körperbestattung kann keine Aussage zur Fundlage gemacht werden. Als Typen können identifiziert werden, J.P. 37, 42, 43, 48, 51und 52. Aufgrund der Chronologie der OVSn ist von einer durchgehenden weiblichen Präsenz in Wisikauten auszugehen.
Eine Besonderheit mchte ich einfach nur bildlich darstellen:
Hügelgrab (-) Ausgrabung 18. Sept. 1874, Kat. Nr. 5 (Ja, Volutenförmige Anhänger mit drei Metallketten, NIE mit Glasperlenketten)
Anmerkung zu dieser Bestattung: absolut ungewöhnlich. In diesem Grabhügel finden sich neben Reitzubehör und 52 Glasperlen (Halskette), sondern auch je eine Dosen- und Gerätefibel. Hier trifft das skandinavische Festland (OVSn) mit Gotland (Dosenfibel) zusammen i.V.m. den Trachteinflüssen des Baltikums (Metallketten).
Dies kommt ein weiiters mal vor, in "Hügel Grab (-) Ausgrabung 1873. Kat. Nr. 2"
Hier wurden neben zwei Ovalspangen ein zweigliedriges Kettengehänge, 36 Perlen und eine Dosenfibel angetroffen.
Die Vergesellschaftung von OVSn und wikingerzeitlichen DFn gibt es sonst nirgends in Skandinavien!. Ältere Dosenfibel als Rundspangen umgearbeitet ist möglich.
Die Kombination wird auf das zweite Drittel des 9. Jh. und der ersten Hälfte des 10. Jh. n. Chr. datiert.
Kleeblatfibeln wurden nur mit drei Exemplaren angetroffen. Zur Häufikeit und Trageweise in anderen Regionen siehe http://derglasperlenmacher.de/downloads/kleeblattfibeln.pdf [4.777 KB]
Gleicharmige Fibeln wurden mit drei Exemplaren angetroffen, davon zwei vom gleichen Typ in einer Bestattung. (Kat. 53, Hügelgrab (44), Ausgr. 6.-07. Sept. 1932 Zu den Funden zählt auch hier eine Gerätefibel sowie „viele Perlen“.
Siehe auchhttp://derglasperlenmacher.de/downloads/die-gleicharmigen-spangen-von-birka.pdf [15.305 KB]
Scheibenfibeln/Rundfibeln sind in Wisikauten mit einer SF vom Typ Terslev. Eigentlich sind die nur 2-4cm im Durchmesser, hier snd es 4,5cm. Die Verzierung ist absolut mit einer SF aus Filborna.
Siehe auchhttp://derglasperlenmacher.de/downloads/rundspangen-klein.pdf [5.600 KB]
Ringfibeln / Hufeisenförmige Fibeln (HeF) sind mit 29 Exemplaren vertreten, hiervon die mit facettierten Endknäufen fünf mit umgekehrten Pyramiden, eines mit zurückgebogenen Tierköpfen sowie eine mit stilisierten Tierköpfen.
Siehe auch http://derglasperlenmacher.de [3.866 KB]
.... genau.
Gerätefibeln sind mit vier Exemplaren angetroffen wurden. Sie werden auch als Dosenschnalle, Ringschnalle, Kettenverteiler oder Schnalle mit Aussparung angesprochen.
Alle 4 GFn sind vom Typ I L. Thunmark-Nylen (2006).
Abbildung: Gerätefibel der Wikinger, Gotland -
Eine einzige Armburstfibel wurde angetroffen, Kat. Nr. 70. Zu dem weiteren Grabinventar zählen ein Schwert, zwei Lanzenspitzen, eine HeF und ein Messer.
Abbildung: Armbrustfibel -
Zungenfibel, in diesem Fall eine sekundär verwendete Riemenzunge. Diese hat dazu eine verblüffende Ähnlichkeit mit einer solchen Sekundärfibel aus einem Streufund nahe der Ortschaft Salby auf Fünen (DK).
Nadeln
Bei Nadeln vn Wiskiauten handelt es sich in der Regel um „beiläufig erwähnte Angaben in der Grabungsdokumentation“ (Dworschak S. 159). Interssant, jedoch ohne Abbildung, sind eine Gewandnadel (?) aus dem Streufund 14 in Armburstform, als auch Streufund 15, eine Nadel von 10,3cm Länge aus Buntmetal, im “unteren Teil gradlinig (…) wo hingegen der obere Teil halbkreisförmig gebogen und mit sechs Glasperlen verziert sein soll.“
Abbildungen waren nicht recherchierbar. (Leider)
Anhänger sind mit 18 Exemplaren in 9 Bestattungen vertreten, somit in einer Bestattung (mind.) 6, einer mit 3 und einmal mit zwei Exemplaren, sonst jeweils einem Exemplar. Es handelt sich um zwei Lunula und sonst schildförmige Anhänger.
Auch wenn es in Wiskiauten durchaus nicht modifiziertes gotländisches Trachtzubehör (in drei Bestattungen) mit Trachtzubehör des skandinavischem Festlandes vermischt wird: das ist kein Alltag. Wer das so darstellen will, sollte sich m.E. dann auch weiter an dem für Wisikauten charakteristischen Trachtzubehör, Schmuck und der Keramik (des Baltikums) orientieren.
Dwhttps://macau.uni-kiel.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dissertation_derivate_00008117/Diss_Dworschak_2018.pdfGurevič, F. D.: Is istorii jugo-vostocchnoji pribaltiki v I.tysjacheletti I.E. Mat. i Issled. pa Arch. SSSR 76, 1960
Heydeck, J.: Fundberichte III. Die Wikingergräber der Kaup bei Wiskiauten, Kr. Fischhausen. Prussia 21, 1900
Ibsen, Timo: "Etwa hier die Siedlung" - Der frühmittelalterliche Fundplatz Wiskiauten/Mohovoe im Kaliningrader Gebiet im Lichte alter Dokumente und neuer Forschungen, Kiel, 2009
https://www.academia.edu/12079721/_Etwa_hier_die_Siedlung_-_Der_fr%C3%BChmittelalterliche_Fundplatz_Wiskiauten_Mohovoe_im_Kaliningrader_Gebiet_im_Lichte_alter_Dokumente_und_neuer_Forschungen
(Stand: 22.06.2020)
Schlicht, Otto von: Das westliche Samland: eine Heimatbuch des Kreis Fischhausen, 1926
Thunmark-Nylen, L.: Die Wikingerzeit Gotlands III:2, Text Stockholm: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademie, 2006