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Allgemein:
Laut dem arabischen Handlungsreisenden Ibn Fadlan war eine grüne Glasperle an der Wolga einen Dirhem wert. Dies entspricht etwa drei Gramm Silber*. Als Gegenwert m Tauschhandel wird ein Marderfell genannt**. In Prag erhielt man um 965 n. Chr. für 3g Silber sogar 25 Hühner oder 100 Tagesrationen Gerste zum Füttern eines Pferdes***.
Wie groß diese grünen Perlen waren und ob aufwendigere Perlen wie beispielsweise Mosaikperlen teurer waren ist nicht überliefert.
Ein Rückschluss über den sozialen Status der Bestatteten kann über die Perlenausstattung alleine jedoch nicht gezogen werden, da die Zahl der Perlen aus den Gräbern in keinem Zusammenhang mit den weiteren Beigaben steht. Arm als auch Reich ausgestattete Gräber können mehr oder weniger umfangreiche Perleninventare enthalten.
Abbildung: hufeisenförmige Fibel -
Ursula Koch schreibt über den Wert von Mosaikperlen der Merowingerzeit des Gräberfeldes bei Schretzheim:
"Die aufgrund ihrer komplizierten Muster kostbar wirkenden Millefioriperlen wurden zweifellos in großen Serien produziert. Ihr Handelswert lag kaum höher als der als der anderer mehrfarbiger Perlen." ****
Der Grundkörper einer "anderen mehrfarbigen Perle" ist aus heißem Glas gewickelt. Auf diesen Körper werden Punkten und/oder Linien zur Verzierung eingeschmolzen.
Die Herstellung einer Mosaikperle ist jedoch wesentlich komplexer (siehe hierzu: Mosaikperlen).
Ein Mosaikmusterstab kann durchaus für mehrere Perlen Mosaikstücke liefern und somit können einige Perlen mit Mustern von diesem Stab "in Serie" gefertigt werden.
Jedoch: jede Perle für sich.
Die Herstellung eines Mosaikmusterstabes ist dabei schwieriger als einen Grundkörper zu wickeln und zu verzieren.
Dazu muß dann aus den fertigen Stäben eine Perle gefertigt werden, und dies ist ein weiterer zeitintensiver und schwieriger Prozeß der nicht in jeder Werkstatt beherrscht worden sein wird, die einfache gewickelte Perlen hergestellt hat.
Der beschriebene Herstellungsaufwand spiegelt sich in der tatsächlich geringen Zahl der Mosaikperlen im Vergleich zu der anderer Perlen wieder:
In Schretzheim wurden 8775 Perlen gefunden, 589 davon konnten nicht mehr ihren Fundstellen zugeordnet werden. Die restlichen Glasperlen wurden in 223 Gräbern gefunden. 14 weitere Gräber enthielten Perlen, aber keine Angaben zu diesen.****
Von den 8775 Glasperlen sind 1012 polychrom und nur 175 Perlen sind Mosaikperlen. Mit 1,99% der gesamten Glasperlen ist dies eine verschwindend geringe Menge. Und von einer Produktion in großen Serien kann auf keinen Fall gesprochen werden, die Herstellung war zu spezifisch.
Durch die Komplexität der Herstellung und der Seltenheit dieses Perlentyp muß davon ausgegangen werden, das ein Handwerker diese sehr arbeitsintensiven Produkte nicht mit wesentlich einfacher herzustellenden gleichgesetzt haben wird.
Wie wurde der Wert beurteilt?
U. Koch begründet die Gleichstellung der Perlenwerte über die Fundzusammenhänge auf dem Gräberfeld bei Schretzheim. In den Älteren Phasen wurden Mosaikperlen nur von Frauen getragen die keinen Fibelschmuck besaßen. Erst in den jüngerer Phasen waren Mosaikperlen auch Bestandteil reicher ausgestatteter Bestattungen mit Fibelschmuck.
Dies ist aber nur ein Teilaspekt, der für die Beruteilung des Wertes betrachtet wurde: tatsächlich wurden in den Phasen 1-3 (525/30-545/50 n.Chr.) allgemein viel weniger Perlen den Verstorbenen beigegeben worden als ab der Phase 4 (590/600-620/30 n. Chr.).
Das verstärkte Auftreten gleicher Mosaikperlentypen in jüngeren Phasen kann als Ursache haben, das die Perlen aufgrund ihres Wertes/Wertschätzung ursprünglich nur selten der Verstorbenen beigegeben wurden. Über die Jahre jedoch werden mehr Perlen dieser Art Schretzheim (oder andere Orte) erreicht haben, und so wurden mehr Perlen (egal welchen Typs) beigegeben.
Oder den folgenden Generationen (in Schretzheim waren dies ein bis zwei) war der Anschaffungswert nicht mehr bekannt. Sie waren nur noch ein langjähriger Familienbesitz. Und somit erfüllten diese Perlen alleine nicht mehr die "Prestigefunktion".
Eine weitere Möglichkeit ist der nachweisbare stärkere Zufluß an Perlen. Um den Reichtum der Bestatteten ab der Phase 4 über Perlen auszudrücken waren mehr von ihnen erforderlich.
Möglich ist des weiteren das die fehlenden Fibeln nicht als Beigabe verwendet, sondern vererbt wurden. Hierfür wären jedoch eingehende Studien über Fibeln, das Alter der Bestatteten, ihr soziales Verhältnis, die beigebenen Perlen und überregionale Strukturen notwendig usw.
Dazu kann das verschiedene Fundvorkommen auch anders interpretiert werden:
Frauen die ohne oder mit einfachen Fibeln bestattet worden sind haben ihren Reichtum in wertvolle Mosaikperlen investiert. Die in den ersten Phasen wenigen Perlen können so sehr geschätzt gewesen sein, das eine Ausstattung mit ihnen mehr Prestige verlieh als die Ausstattung mit Fibeln. Die Bestattete konnte demnach auf funktionales Trachtzubehör verzichten und die Bestattenden legten Wert darauf, das dieser Status auch im Reich der Toten zu erkennen war.
Fibeln, Silber, Gold... oder Perlen?
Ohne die Umstände der Bestattung, des Vermögens der Bestattenden, den Resourcen und Zugriffsmöglichkeiten auf verschiedene Perlentypen zu kennen, kann kein Urteil darüber gefällt werden, wie Wohlhabend die Verstorbene und deren Familie war.
Reichtum kann auch ohne Fibeln, z.B. über eine reichverzierte Kleidung ausgedrückt werden.
Ohne dieses Wissen kann kein Urteil über den tatsächlichen materiellen und ideellen Wert von Perlen gefällt werden.
Die Beigabe von Perlen jeglicher Art folgt leider nicht generell einer einfachen Regel wie "je reichhaltiger das Inventar, desto größer der Umfang des Perleninventares" wie Maren Siegmann in ihrer ausführlichen Analyse der Beigabe von Perlen nachwies*****. Ein Zusammenhang zwischen vielen, farbenprächtigen Perlen und der Armut oder dem Reichtum weiterer Beigaben ist nicht feststellbar.
Ebenso kann auch kein Urteil über den Wert einzelner Perlentypen im Vergleich zu anderen gefällt werden.
Die Wertvorstellung lässt sich nur über das Material und den Herstellungsvorgang des Objektes vermuten, und dies gilt nicht nur für Perlen.
Es sagt ja auch niemand: Tongefäße waren mehr geschätzt als Glasgeäße, denn Tongefäße kamen in jedem Grab vor.
*) Peter Steppuhn, 1998, S. 16; Berichte über die Ausgrabungen in Haitbabu, Neumünster; Alexander Pöche: Perlen, Trichtergläser, Tesserae - Die Glasfunde des frühmittelalterlichen Handelsplatzes von Groß Strömkendorf bei Wismar, Schwerin 2005
**) Peter Steppuhn nennt als Quelle für diesen Wert: Bach, H. und Dusek, S; Weimar 1971: Slawen in Thüringen, Geschichte Kultur und Anthropologie im 10 bis 12. Jahrhundert; S. 71. Hier heissst es jedoch "über den Rohstoff (der Perle) besteht Unklarheit". Genannt wird hier eine Quelle, nach der im 11. und 12. Jhr. ein Rind 4 Dirhem, somit wären 4 Rinder 4 Perlen wert. Ob die Perlen aber überregional auch diesen Wert besaßen wurde nirgends dokumentiert.
***) Joachim Herrman, Ralswiek auf Rügen Teil III, Band 37, S. 133, Schwerin 2005
****) Ursula Koch, Das Reihengräberfeld bei Schretzheim Teil 1, Text; Berlin 1977, S. 218, Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit: Ser.A; Bd. 13)
*****) M. Siegmann, Bunte Pracht. Die Perlen der Frühmittelalterlichen Gräberfelder von Liebenau S. 637: